Autoren des Beitrags sind Gabi Laist-Kerber und Peter Kerber. Die beiden haben sich von den Einschränkungen des Lockdowns nicht entmutigen lassen und das Beste aus der Zeit gemacht, indem sie den Cuthbertsweg von Schottland nach England gewandert sind.
Wanderung von Schottland nach England auf dem Cuthbertsweg 3. – 14. Oktober 2020, 113 km
Noch am Abend vor unserer Reise erklärt das Auswärtige Amt Schottland zum Risiko-Gebiet. Nach nächtlicher Beratung, einigem Hin und Her, entscheiden wir uns zwischen Wagemut und Ängsten zu reisen. Unser Flieger startet um 13.05 Uhr am Frankfurter Flughafen. Nach 1,5-stündigem Flug werden wir nach der Ankunft in Edinburgh von einem Taxifahrer zu unserem Ausgangsort Melrose gebracht. Es regnet, regnet und regnet, so haben wir es erwartet.
In Melrose checken wir bei strömendem Regen im Hotel Kings Arms ein, das dort schon seit 1793 existiert. Der für Schottland typische Regen hält uns nicht davon ab, Melrose Abbey zu erkunden. Auf diese Weise können wir uns bestens akklimatisieren. Um 650 gründeten Benediktinermönche hier ein Kloster. Cuthbert kam als 16-Jähriger in diese Abtei und hatte gleich zu Beginn einen besonderen Ruf der Heiligkeit. Er lebte dort viele Jahre u.a. in Zeiten der Pest, bevor er zuerst Abt von Melrose und später von Lindisfarne wurde. Der 100 km lange Cuthbertsweg beginnt an der Abtei und endet auf Holy Island von Lindisfarne. Die heute sichtbare Abtei in Melrose wurde 1163 durch König David I als Zisterzienserabtei gegründet. Sie zählt zu den vier Borderabteien und einst zu den reichsten Klöstern Schottlands. Noch heute hat sie einen beeindruckenden Kirchenbau, in dem man u.a. im Sandstein interessante Skulpturen entdecken kann: ein Schwein, das Dudelsack spielt. Nach dieser Einstimmung genießen wir im Hotel ein schottisches Abendessen und zelebrieren unsere Ankunft mit Ale.
1. Etappe von Melrose nach Jedburgh 32 km
Unser Weg beginnt in der Altstadt von Melrose mit der Suche nach dem Beginn des Cuthbertswegs, aber vergeblich. Müsste er nicht direkt an der Abbey ausgeschildert sein, wo diese doch der zentrale Ort ist? Das Wetter ist dazu noch neblig mit Nieselregen und leichten Schauern. Nicht gerade einladend für einen Wanderstart. Gut, dass wir durch ein schottisches Frühstück gestärkt sind und außerdem wissen, dass der Weg über die Eildon Hills (422 m) hochgeht. Die sind auch tatsächlich mit dem ersten sichtbaren Zeichen des Cuthbertwegs ausgeschildert. Wir freuen uns über die vielen Schafe und diese einladende Bank.
Der Start stellt sich als große Herausforderung dar, weil wir mit (zu viel) Gepäck laufen. Wir kommen mächtig ins Schwitzen. Der Sage nach soll am Fuße der Eilden Hills König Artus mit seiner Armee begraben liegen und die sind bei Angriff bereit ihr Land zu verteidigen. Ein geschichtsträchtiges Terrain, das wir da betreten. Außerdem wirkt die Umgebung mystisch mit dem immer dichter werdenden Nebel, der aufkommt, je höher wir laufen.
Oben angekommen, nehmen wir die mystische Stimmung wahr, die sich mit noch mehr Nebel ausbreitet und das ganze Tal begleitet. Ab jetzt ist der Weg optimal ausgeschildert. Froh, dass es nun bergab geht, stören uns die aufgeweichten Waldwege und kleinen Bäche nicht. Im Tal angekommen, reißt plötzlich der Himmel auf, und Sonnenschein begleitet uns weiter über Hügel und Felder bis wir nach Bowden kommen.
Am Wegesrand in diesem kleinen Städtchen gibt es Äpfel zur Selbstbedienung, die kommen grad recht. Da hat es einer gut gemeint mit uns!
Auf die nun kommende Etappe freuen wir uns schon sehr. Laut Karte geht es am idyllischen Ufer des Tweed entlang, naturbelassen und eben. Außerdem haben wir unsere Mittagsrast in der nächsten Ortschaft St. Boswells geplant. So kommen wir einige Kilometer flott voran, bis wir unseren Augen nicht trauen. Durch den großen Regen, der Tage zuvor heruntergekommen ist, ist der Tweed über seine Ufer getreten. Es ist uns leider nicht möglich den Weg weiterzugehen. Wir versuchen es noch heldenhaft drumherum, keine Chance. Alles ist überschwemmt. Was also tun?
Wir orten die Lage, nehmen Karte und Navigation zu Hilfe und suchen uns eine Alternative. Gott sei Dank ist das möglich. Ein Stück rückwärts führt eine Brücke über den Tweed nach Dryburgh Abbey, ebenfalls ein sehr sehenswerter Ort, an dem u.a. Sir Walter Scott begraben liegt. Das Kloster liegt auf einem Mäander des Tweed. So laufen und laufen wir viele Kilometer unsere Alternativroute. Statt auf ebenem Weg geht es die Berge hoch und runter. So war das eigentlich nicht gedacht.
So schnell wollen wir natürlich nicht aufgeben und laufen tapfer weiter bis wir über den mächtigen Umweg endlich nach St. Boswells kommen. Dort wollen wir unsere schon längst überfällige Mittagspause nachholen. Klasse, dass wir ein Cafe mit Buchladen entdecken, das gleichzeitig im Hinterhof einen Käseladen zu bieten hat. Dort decken wir uns mit Proviant ein. Bevor wir uns draußen niederlassen, fragen wir im Café nach der nächsten Busverbindung nach Ancrum. Uns ist längst klar ist, dass wir den kommenden Weg zu Fuß als Ganzes nicht schaffen werden. Es stellt sich heraus, dass der nächste und gleichzeitig letzte Bus in 10 Minuten abgeht. Also schnell alles eingepackt und zur Bushaltestelle gerannt, so gut man/frau das mit Rucksack, heißem Kaffee und Verpflegungseinkäufen hinbekommen kann. Happy, dass wir den Bus erreicht haben und der Fahrer uns so mitnimmt, genießen wir die 20-minütige Busfahrt. Wie schnell man 8 Km überbrücken kann! Wir sind begeistert. In Ancrum machen wir unsere lang ersehnte “Mittagspause” an einem schönen Plätzchen bei Sonnenschein.
Ab Ancrum laufen wir nach Harestanes und kommen am dortigen Countryside Visitor Center vorbei, das uns interessiert hätte. Da wir zeitlich im Verzug sind, verzichten wir auf römische Geschichte, gönnen uns stattdessen eine leckere Praline in der Chocolaterie. Ein schöner Weg führt weiter durch bemooste Wälder zum Monteviot House. Es liegt wie ein verwunschenes Märchenschloss mitten in einem Park mit alten Bäumen. Wir staunen über eine Lampe, die mitten im Wald angebracht ist. Wem da wohl geleuchtet wird?
Der Teviot, ein weiterer großer Fluss, liegt vor uns. Er ist gut passierbar, und der Weg führt uns mitten durch eine Schafweide am Fluss entlang. Schafe überall, welch wunderbarer Anblick.
Vom Teviot wandern wir direkt am Jed River weiter, der uns die letzten Kilometer nach Jedburgh führt. Leider geht es wieder Hügel hoch und runter. Wir erleben sie mittlerweile wie mächtige Berge, denn nach fast 30 Km kommen wir an unsere Grenzen. Bei den letzten Kilometern brauchen wir unbedingt eine Rucksackabsetzpause. Wir motivieren uns zum Weiterlaufen mit diesen Gedanken: Es regnet ja nicht, der Weg ist schön, wir haben es gut geschafft, es hätte schlimmer kommen können… Etwas matt kommen wir im Hotel Spread Eagle an. Es ist ein historisches Gebäude aus dem 16. Jh., in dem schon Mary Stuart auf ihrer Flucht von Schottland nach England übernachtete. Wir beziehen Zimmer 10 (in der 9 hatte sie genächtigt) und stellen wiederum fest, dass wir die einzigen Gäste sind.
Nach einer Ruhepause fühlen wir uns fit für einen Spaziergang in die Stadt. Jedburgh hat Einiges zu bieten: eine wiederum beeindruckende Border-Abtei der Augustiner, Jedburgh Abbey, ein Schloss und ein herrschaftliches Haus, das zum Museum über Mary Stuart umfunktioniert wurde, weil sie auch dort übernachtet hatte. Wir erfahren im Garten des Museums über Infotafeln, dass die Stadt nicht nur Zufluchtsort für Mary Stuart war, sondern auch wegen seines Obstanbaus mit Birnen zur Berühmtheit gelangte. Manche der Obstbäume jüngerer Zeit sind zu Ehren Queen Elisabeth II. gepflanzt worden. Einige Birnen sind frisch auf dem Boden gelandet. Die genießen wir königlich, wie auch unsere Unterkunft.
2. Etappe von Jedburgh nach Kirk Yetholm 27 km
Wiederum gestärkt durch ein schottisches Frühstück, gleichzeitig beäugt von Mary Stuart auf einem Bild im Speisesaal, noch dazu mit einem interessanten Corona Gespräch unseres Vermieters, starten wir unsere Tour. Diese führt uns ein Stück des Wegs zurück. Auch da entscheiden wir uns für eine Alternativroute, weil der offizielle Weg am Tweed weitergehen soll und wir entsprechende Erfahrungen gemacht haben. Der Weg mündet in eine Vielfalt von Pfaden und Wegen durch hügelige Agrarlandschaft, Felder, Wälder und Täler. Wir kommen vorbei an Bauernhöfen mit Rinderherden und Schafen.
Leider finden wir keine Wegzeichen mehr und laufen nach unserer eigenen Orientierung. Dabei kommen wir vom Weg ab. Es wird abenteuerlich: Wir müssen mitten durch eine Rinderherde durch, einen finsteren Waldweg weiter, über Äcker, in denen wir bis zum Knöchel versinken. Uns wird etwas mulmig zumute. Zum Glück sehen wir schon bald von Weitem das höhergelegene Cessford Castle. Das wiederum liegt auf unserem Weg und ist in dem Fall ohne Wegmarkierung ein optimaler Orientierungspunkt. Wir steuern querbeet darauf zu. Am Ortseingang werden wir von Einheimischen gefragt, ob es uns gut gehe. Sie hätten uns von Weitem über die Felder kommen sehen und sich Sorgen gemacht. Wir kommen ins Gespräch, weil der Tweed jetzt solch ein Hochwasser hat. An den Ruinen von Cessford Castle angekommen, machen wir Mittagsrast. Cessford ist ganz klar unser Castle, das haben wir Kerbers schon beim ersten Schottlandaufenthalt entschieden. Es wurde im 15. Jahrhundert vom Kerr Clan gebaut. Wir haben diesen Clan etwas nostalgisch mit Fantasie als Kerber-Clan interpretiert. Aus dem Grund sind wir stolz, hier mitten auf dem Cuthbertsweg zu pausieren und Fotos zu schießen.
Nach der Stärkung an “unserem“ Castle führt uns der Weg idyllisch über Felder weiter in das kleine Dorf Morebattle. In Morebattle hat keine Schlacht stattgefunden, obwohl der Name uns das suggeriert. Am Ortseingang entdecken wir allerdings Werbung für ein Pilgercafé. Die Lust auf Kaffee ist geweckt. Die zum Café umfunktionierte Kirche ist nur leider geschlossen. Zum Glück gibt es in Morebattle nette Leute, die uns auf einen kleinen Laden verweisen, der in Eigeninitiative von den Bürgern des Städtchens als Café betrieben wird. Dafür müssen wir leider wieder den Berg hochsteigen. Von einer alten Dame bekommen wir Kaffee mit Outdoorsitzplatz und gönnen uns Schokolade. Nach dieser Stärkung sehen wir uns die dortige Kirche von außen mit dem Friedhof an. Auch das ist sehr eindrucksvoll.
Eigentlich führt der Cuthbertsweg von dort in die Vorläufer der Cheviot Hills hinauf. Nach kurzer Beratung verzichten wir auf die sicher hervorragende Aussicht von dort oben in alle Richtungen von dort oben und nehmen stattdessen die wenig befahrene Landstraße, die uns auf der Ebene weiterführt. Auf Berge hoch und runter, noch dazu einige Kilometer mehr, haben wir keine Lust. Die Umgebung an der Straße entlang ist ebenfalls sehr beeindruckend, weil die Berge der Cheviot Hills in Sicht kommen. Das letzte Stück, wieder original Cuthsbertsweg, führt uns über eine Kuhweide direkt am Ufer vom Bowmont entlang. Wunderschön! Wir gehen mittendurch und werden dabei von den Kühen mit Interesse beobachtet. Kirk Yetholm ist in Sicht, und es fängt wieder an zu regnen. Das stört uns wenig, weil wir eigentlich den ganzen Tag über mit Regen gerechnet haben. Außerdem wird ein Regenbogen sichtbar. Für uns ein wertvolles Zeichen. Das Border Hotel, in dem wir schon einmal übernachtet hatten, hat seinen ganz besonderen Charme, allein schon, weil es direkt zwischen Schottland und England liegt. Wie der Name sagt, ein Hotel an der Grenze.
Das Border Hotel war lange Jahre eine Poststation, an der Pferde gewechselt werden konnten inklusive Übernachtung natürlich. Das Originalhaus von damals hat seinen ganz besonderen Charme. Heutzutage endet hier der Pennine Way, der sich von Südengland über 431 Km bis dorthin erstreckt. Traditionell lassen Finisher dieses Weges aus dem Grund ihre Schuhe vor dem Hotel stehen. Mittlerweile ist dort ein eindrucksvoller Berg aus Schuhen gewachsen.
Wir sind nahe dran, uns welche aus dem Stapel auszusuchen, um sie gegen unsere auszutauschen, aber die Gewohnheit siegt. Außer uns ist ein Finisher dieses Weges mit uns der einzige Gast dort. Der kann zwar kaum noch gehen, ist aber mächtig stolz, diesen Weg geschafft zu haben. 18 Tage ist er gewandert, damit hat er unseren ganzen Respekt und wir applaudieren ihm. An diesem Abend trinken wir nach einem absolut delikaten Dinner zum Abschluss auf die schottischen Welten einen Whisky. Der Wirt berät uns höchst persönlich bei der Auswahl. Unsere Wahl fällt auf Orban und Glenfarclais. Wir kommen ins Gespräch über Whisky und fragen, ob sie den Film „Angel‘s Share“ kennen. Weil dem nicht so ist, erzählen wir vom Inhalt. Die Inhaber sind daran interessiert und werden ihn sicher bald schauen.
3. Etappe von Kirk Yetholm nach Wooler 28 km
Auch hier entscheiden wir uns für ein Full Scottish Breakfast. Wir benötigen es dringend, denn vor uns liegt der herausforderndste Abschnitt der Pilgerroute. Er verläuft an den unteren Hängen der wilden, abgelegenen Cheviot Bergkette und geht weiter über die Grenze nach England mit vielen Auf- und Abstiegen. Beim ersten Anstieg treffen wir noch auf Menschen und fragen nach, ob hier bald die Grenze käme. Sie schauen sich verwundert an und fragen „Border, hä?“ Sie haben unser Englisch wohl nicht verstanden. Wir gehen amüsiert weiter und lachen noch lange. Weit und breit begegnen wir nur noch Schafen, Schafen, Schafen. An der ausgeschilderten Grenze zwischen Schottland und England zelebrieren wir den Übergang mit einem englischen Minztoffee, den wir noch vom Border Hotel in der Tasche haben, und fühlen uns fantastisch zwischen den „Borders“ in einer absolut wunderbaren Natur.
Begleitet von weiteren herrlichen Aussichten, bleibt der Weg weiterhin abwechslungsreich. Er führt in hohe Moorgebiete, dadurch geht es durch torfige Böden, satte grüne Wiesen und herrlich unberührte Natur. Einfach zum Genießen für die Seele. Dabei hören wir ein weiteres Cuthbertslied, das gleichzeitig ein Lob auf Gottes Schöpfung ist. Besser geht es nicht, finden wir. Hier die Eindrücke des abwechslungsreichen Weges.
Es scheint nicht mehr weit zu sein bis zur kleinen Marktstadt Wooler, der Weg führt fast nur noch bergab. Der Cuthbertsweg macht dort einige Umwege, dafür geht´s über wunderbares Terrain. Wir durchwandern noch einen Wald, bevor wir in Wooler im No. 1 Hotel ankommen. Wooler hat zwar keine Historie zu bieten ist, aber eine beliebte Basis für Wanderer, die den nahegelegenen Nationalpark von Northumberland besuchen wollen. Eine englische Pilgergruppe, die ebenfalls den Cuthsbertsweg läuft, ist mit uns dort untergebracht. Wir sind überrascht, so vielen Menschen zu begegnen
4. Etappe von Wooler nach Beal 24 km
So sieht das Frühstück in England aus: Full English und Continental. Der Anblick reicht eigentlich schon, um satt zu sein. Gut, dass wir die vielen Reste mitnehmen dürfen. Weil wir wissen, dass wir heute unser Ziel Lindisfarne von Weitem sehen werden, geht es beschwingt los.
Es sind kaum noch Berge zu erwarten, dafür durchqueren wir Moorland, wieder viele Felder, Wälder und Agrarlandschaften. Auch diese Gegend ist einfach wunderbar und sehr abwechslungsreich. Manchmal ist es lästig dem gestauten Wasser auszuweichen, und die Schuhe werden nass.
Auf dem Weg steht eine holzgeschnitzte Cuthbert Statue. Die lädt uns zur Pause ein.
Bergan geht es weiter, jetzt sehen wir überall Farne als Bodendecker. Die Landschaft mit ihrer Vegetation verändert sich auch hier nochmals. Mit den vielen Farnen kommen wir Cuthbert näher, denn er wird auch Cuthbert of Farne genannt. Wenn er sehr beschäftigt war, zog er sich am liebsten auf die Farne-Inseln zurück. Dort genoss er die Einsamkeit in wunderbarer Natur, um Kraft zu tanken. Ein kluger Mann mit einer gesunden Lebenseinstellung, finden wir.
Im Wald auf dem Weg nach Fenwick liegt etwas versteckt, aber ausgeschildert, die beeindruckende Sandsteinhöhle des heiligen Cuthbert, St. Cuthbert’s Cave. In dieser Höhle haben die Mönche seinen Leichnam 857 während der 8-jährigen Flucht vor den Wikingern versteckt.
Das Kloster in Lindisfarne wurde in der Zeit das erste Mal geplündert und zerstört. Heute befindet sich sein Leichnam in der Kathedrale von Durham. Selbst zwischen den Ritzen der Steine wachsen die Farne. Zum Andenken nehmen wir einige mit. Ein schöner Ort mit diesen Felsformationen mitten im Wald. Nochmals geht es kurz, aber heftig bergauf, dann kommen wir ins Staunen. Das Meer ist zu sehen. Alles erscheint greifbar nah und bezaubernd durch eine klare Sicht. Zwischen uns scheint es nur noch Wiesen, Felder und die berühmten Schafe zu geben. Wir können weit die Küste entlang blicken und genießen die sagenhafte Aussichte bis zum berühmten Bamburgh Castle und auf die Insel Lindisfarne selbst. Wir fühlen uns wie im Himmel, der jetzt wieder blau über uns scheint und wiederum einen Regenbogen sichtbar macht. Der Weg zieht sich ewig. Im kleinen Ort Fenwick, in dem wir einen Kaffee trinken wollten, gibt es dazu leider keine Möglichkeit mehr, denn das Gemeinschaftshaus ist wegen Corona geschlossen. Wir sehen wohl etwas betroffen aus, denn als wir auf einer Bank ein paar letzte Nüsse essen, werden wir doch tatsächlich angesprochen, ob wir mitgenommen werden wollen. Die letzten Kilometer schaffen wir “natürlich” noch, vergewissern uns aber vorher, ob es wirklich nur noch 4 km bis zu unserem Hostel sind, das in Beal liegt. Zum Schluss kommt doch noch ein eiskalter Wind auf, wodurch wir schneller unserer Herberge entgegenlaufen. Obgleich unser Hostel, das Lindisfarne Inn, ein nettes Hostel ist, machen wir einen weiteren Spaziergang, um im Barn at Beal zu Abend zu essen. Wir staunen nicht schlecht, dass dieses Lokal der Beschreibung entspricht. Es liegt auf einer Anhöhe unmittelbar vor dem jetzt überfluteten Übergang nach Lindisfarne, hat riesige Fenster für den Ausblick auf das Meer. So bewundern wir allein schon den Blick auf Lindisfarne, das Wattenmeer, die fantastische Umgebung und einfach nur das Sitzen. Auch hier sind wir die einzigen Gäste und genießen unser Dinner mit dieser gigantischen Kulisse. Regeneriert gehen wir zum Hostel zurück, wo wir uns vor dem zu Bett gehen einen Wein gönnen, und das in herrschaftlichen Sesseln. Eins gibt uns nur zu denken, denn man gab uns ein Zimmer mit behindertengerechtem Bad. Sahen wir etwa so hilfsbedürftig aus, ist es tatsächlich schon so weit gekommen? Etwas lädiert fühlen wir uns in der Tat.
5. Etappe von Beal zur Holy Island of Lindisfsarne 8 Km
Der morgendliche Weg führt leicht abfallend zum Meer hinunter, dann über den gezeitenbedingten Damm. Dieser liegt bei Flut unter Wasser und ist nur zu bestimmten Zeiten passierbar. Glück für uns, dass er für unseren Übergang frei ist. Natürlich haben wir das bei den Reisevorbereitungen in Erfahrung gebracht. Ratsam! Teilweise gehen wir auf der Straße, teilweise auf Wattboden. Es gibt dort einen faszinierenden Pilgerweg mitten durch das Wattenmeer auf die Insel. Wir kommen Schloss und Kloster von Lindisfarne immer näher. Regelrecht magisch fühlt es sich an, und was für ein schönes Gefühl! So begleitet uns ein weiteres Cuthbertslied dabei.
Wiederum haben wir Glück, denn unsere Pilgerunterkunft im Belvue Guest House steht uns zur Verfügung, und es ist gerade mal 11.00 Uhr. Corona bedingt haben wir mit unserem netten Vermieter nur Mailkontakt und deshalb einen Code zum Einchecken übermittelt bekommen. Recht bald machen wir uns auf den Weg ins Innere der Insel, um einen Pilgerkaffee zu trinken. Gestärkt geht’s dann zum Abbey und zur Besichtigungstour. Leider kommen wir nicht direkt hinein, nur in eingegrenzte Gebiete. Corona technisch ist eine Besichtigung nicht so einfach. Dazu müssen wir uns bei der English Heritage per Mail zum Besuchen einen Timeslot geben lassen, obwohl dort so gut wie nichts los ist. Ein Besuch ist leider erst wieder am nächsten Tag möglich. Stattdessen laufen wir zur kleinen Eremitage des Cuthbert (Hobthrush), einer winzigen Insel, auf der dieses schlichte Kreuz steht.
Ansonsten gibt es dort nur spärliche Ruinen einer Kapelle. Die Insel ist ebenfalls nur bei Ebbe passierbar und wunderschön. Im Wasser können wir Robben beobachten, die uns nah kommen. Etwas weiter ist eine ganze Kolonie Robben zu sehen, die auf einer Sandbank ruht. Als die Pilgerströme so groß wurden, soll sich Cuthbert für das Wohlergehen der Robben und anderer Tiere in der Gegend eingesetzt haben. Er war quasi einer der ersten Naturschützer. Oft wird er abgebildet mit einer Robbe zu seinen Füßen. Die Robben sollen ihn sogar besucht haben, irgendwie gut vorstellbar. Wir machen eine ausgedehnte Inseltour und gehen zum Castle. Das ragt majestätisch über der Insel auf. Heinrich VIII hat es im Zuge seiner Machtdemonstrationen aus Steinen des verlassenen Klosters aufbauen lassen. Die Umgebung dort ist ebenfalls sehr schön, vor allem mit Blick auf das gegenüberliegende Bamburgh Castle. Wir schlendern dann durch die wenigen Straßen, um dann im Ship Inn zu Abend zu essen.
Im Anschluss drehen wir eine kleine Runde um die Kirche St. Mary und deren Friedhof mit den Ausläufern der alten Abbey und beobachten den Sternenhimmel. So einen schönen Sternenhimmel haben wir bislang nirgendwo gesehen. Das Band der Milchstraße ist in der sternenklaren Nacht sichtbar, unzählig viele Sterne und um uns herum vollkommende Dunkelheit. Faszination pur! Wir hätten gerne weiter Sterne geschaut, leider halten wir es der Kälte wegen nicht länger aus.
6. Ein Tag auf der Insel
Der Tag beginnt mit einem Gespräch mit unserem Vermieter, der wissen mag, wie es uns geht und was wir vorhaben. Beeindruckt von unserem zurückgelegten Pilgerweg mit weiterhin andauernder Lust am Laufen, empfiehlt er uns eine besondere Wanderung und leiht uns noch dazu sein (deutsches) Fernglas. Wir laufen nach seiner Beschreibung und staunen nicht schlecht, als wir in einer Dünenlandschaft ankommen, die wiederum eine andere Charakteristik an den Tag legt, als unsere bisherigen Wege. Wir kommen an die Küste, beobachten Vögel, Wellen, das Meer, eine moderne Pyramide, Kühe, natürlich auch wieder Schafe und landen nach guten drei Stunden am Castle. Eine wiederum sehr empfehlenswerte Wanderung!
Nun wird unser „Timeslot“ aktiv. Wir besuchen das Museum und kommen damit ins Klosterinnengelände. Lange halten wir uns dort auf und bewundern die alten Ruinen, fotografieren sie aus verschiedenen Perspektiven. Besonders angetan hat es uns die Statue des Cuthbert, die vom Künstler Fenwick Lawson geschaffen wurde. Sie ist ausdrucksstark, denn je nach Sicht offenbart sie andere Details: Gebetshaltung, Gesichtsausdruck, verborgene labyrinthische Zeichen an der Seite. Sie hat uns in ihren Bann gezogen. 2001 wurde auf der freistehenden Wiese direkt vor der Cuthbertstatue ein Labyrinth in den Rasen gemäht. Das Kloster Lindisfarne war kurz nach Cuthberts Tod für seine Painted Labyrinths und Lindisfarne Gospels im 8. Jh. bekannt. Die Anfangsbuchstaben der Evangelienbücher wurden auf besondere Weise verziert und das Kloster erlangte auch dadurch Berühmtheit.
Danach geht es auf “Shoppingtour”. Wir kaufen ein paar Mitbringsel und bummeln die “vielen” Straßen entlang. Weil das Ship Inn uns am vergangenen Abend so gefallen hat, beschließen wir dort nochmals zu Abend zu essen (es gibt auf der Insel allerdings nicht viele Lokale zur Wahl). Natürlich freuen wir uns auch wieder auf den immer noch magischen Sternenhimmel.
7. Weiter geht´s
Am Morgen regnet es und wir kommen wieder einmal ins Staunen, weil dadurch direkt vor unserem Fenster ein Regenbogen sichtbar wird. Zeichen über Zeichen. Unser Bus zum Festland fährt wegen der Gezeiten erst um 13.00 Uhr. Gut für uns, damit wir uns ordentlich von der Insel verabschieden können.
Das tun wir mit einem Spaziergang im Wattenmeer, bei dem wir ein Stück des alten Pilgerwegs gehen, Muscheln sammeln, Vögel und Robben beobachten.
Zum Schluss umrunden wir noch einmal die Kirche St. Mary und stärken uns bei einem Mittagessen. Der Bus fährt pünktlich ab, und wir genießen es, ein Stück des gelaufenen und damit vertrauten Weges gefahren zu werden. Der Bus fährt an der beeindruckenden Küste entlang bis Berwick upon Tweed. Dort haben wir vier Stunden frei zur Verfügung, bevor unser Zug nach Edinburgh weiterfährt. Wie werden wir nur unser Gepäck los? Vielleicht gibt es am Bahnhof ein Depot – leider nein. Eine freundliche Dame erklärt uns, dass wir gegen eine Spende unser Gepäck ein paar Meter weiter in einem Hostel lassen können. Tatsächlich ist das so, und Margret, die sehr freundliche Inhaberin des Hostels, ist beeindruckt, dass wir als Pilger auf dem Cuthbertsweg unterwegs waren. Sie gibt uns Tipps, wie wir unsere Stunden optimal nutzen können. Zuerst schickt sie uns in eine zum Museum umfunktionierte Kirche. Dort gibt es einen kurzen Film über die Historie der Stadt. Sie wechselte im Mittelalter 18mal zwischen England und Schottland kriegerisch hin und her – öfter als Jerusalem zur gleichen Zeit. Wir finden: sehr empfehlenswert und ein einfacher Kaffee ist inklusive. Wir laufen die alten Wehrmauern Berwick upon Tweeds entlang bis zu der Stelle, an der der Tweed ins Meer mündet. Zum Tweed haben wir eine gewisse Beziehung aufgebaut. Wegen ihm mussten wir zu Beginn unserer Tour den Weg ändern. Von Hochwasser ist im Moment keine Spur, weil er grad in die Ebbe hinausfließt. Das waren die schönen Seiten der Stadt. Andererseits nehmen wir die Menschen als etwas armselig und heruntergekommen wahr. Auch die Innenstadt ist wenig attraktiv. Traurig, das feststellen zu müssen, wo die Stadt doch einst so berühmt war. Unser Zug fährt Corona bedingt nicht, stattdessen aber ein Bus. Es regnet, regnet und regnet wieder.
Gut, dass wir im Trockenen sind. Etwas mehr als eine Stunde später sind wir in Edinburgh und kommen am Bahnhof von Waverly Station an. Von dort brauchen wir 20 Minuten zu unserer geplanten Unterkunft im Claremont Guesthouse. Der Inhaber staunt, als wir vor ihm stehen, denn er hat nicht damit gerechnet, dass wir noch kommen. Alle anderen Gäste haben abgesagt. So sind wir auch da die Einzigen und erkunden gleich noch am Abend den Carlton Hill, wo man selbst bei Dunkelheit einen tollen Blick über die Stadt und die Brücken beim Firth of Forth übers Meer hat.
8. -10. Edinburgh
Das Frühstück ist herrschaftlich, allein schon mit dem Ambiente. Deckchen, weitere Tischdeckchen, ein warmer Kamin und überall hängen Bilder der vergangenen Könige, Königinnen, die Berühmtheiten der Schotten. Auch hier schaut uns Mary Stuart beim opulenten Frühstück zu. Es ergeben sich gute Gespräche mit unserem Vermieter über die aktuelle Corona Situation. Nicht weit von unserem Hostel geht der Weg am Flüsschen Leith entlang. Den gehen wir bis zu seiner Mündung, wo Mary Stuart, damals aus Frankreich kommend, in Schottland ankam. Heutzutage liegt dort das Schiff Britannia vor Anker. Wir machen im Anschluss eine 1,5-stündige Bootsfahrt am Firth of Forth entlang und genießen es auch dort wieder nur zu sitzen und beeindruckt zu werden. Der Firth of Forth bietet drei Brücken aus drei verschiedenen Jahrhunderten.
Alle drei durchfahren wir und bekommen die Entstehungsgeschichten erklärt. Des Weiteren fahren wir an einer der größten europäischen Bohrinseln vorbei, entdecken wiederum Robben und bekommen Sehnsucht nach Me(h)er. Die vorgelagerte Insel Inverleith mit ihrer nostalgischen und gut erhaltenen Abbey, in der man heute noch heiraten kann, beeindruckt uns genauso, wie manch mörderische Geschichte der Herrscher vergangener Jahrhunderte.
Die Labyrinthe im Stil von Chartres, kennen wir zwar schon, aber wir schauen sie uns nochmals an. Man findet sie im Garten des Universitätsgeländes. Schön gemacht ist das Fingerlabyrinth, auf dem sich soeben ein Eichhörnchen niedergelassen hat. Das bekommt die Reste unserer Oatcakes, und wir dürfen mit Abstand zusehen.
Bei einer privaten Führung im Holyrood Palace erleben wir jahrhundertalte Geschichte komprimiert, begehen dabei die berühmte Treppe, die zum Schlafzimmer Mary Stuarts führte und ihrem Sekretär zum Verhängnis wurde. Elisabeth II. begegnen wir in vielen Porträts und dürfen sogar in ihre Küche schauen. So inspiriert, gönnen wir uns im Anschluss eine königliche Teatime.
Im Botanischen Garten, vor dem man normalerweise Schlange steht, haben wir alles für uns allein und schlendern durch die vielen tropische Gewächshäuser und bewundern das herbstlich Außengelände.
Die Royal Mile sind wir gewiss 12 x hoch und runter gelaufen, Whiskys haben wir gleich mehrmals probiert, Greyfriars Bobby und die dazugehörige Kirche haben wir aufgesucht, im schottischen Museum nicht nur die berühmten Chessman bewundert, sondern auch einen der kleinsten MINIs. Tatsächlich sind wir sogar eine Jakobsleiter gelaufen. Cuthbert hatte dazu einen ganz eigenen Traum…
Zu Guter Letzt besuchen wir die alte Kirche St. Cuthbert mit ihrem beeindruckenden Friedhof in der Princess Road und nehmen auf diese Weise Abschied.
Peter macht sich noch schottisch hübsch und Gabi erwägt berufliche Veränderungen…
Tipp: Vielleicht ist für dich auch der schottische Wanderweg Rob Roy Way interessant. Du findest ihn in meinem Blog unter Rob Roy Way – Fernwanderweg.
Damit die Tour gelingt empfehlen die beiden an Wanderführern und Karten:
Rudolf Abraham; Walking St Oswald’s & St Cuthbert’s Way, Cicerone (ca. 15,- Euro bei Thalia)
Ron Shaw; St Cuthbert’s Way, Official Guide (ca. 22,- Euro bei Amazon)
Harvey Maps; St Cuthbert’s Way (ca. BP 14,50)
Philip Nixon; St Cuthbert of Durham (ca. 21 Euro bei Thalia)