Heute gleiten wir zurück ins 17./18. Jahrhundert, als die Themse zu einem eisigen Wunderland wurde und Phänomene wie frostige Folklore, Eisfeste und Eisspielplätze hervorbrachte.
Frostmärkte auf der Themse
Als das Quecksilber um 1600 einen Sturzflug machte, fror die Themse so stark zu, dass Märkte, Jahrmarktstände und allerlei Feste darauf abgehalten werden konnten. Stell dir Londons Themse als gefrorene Flaniermeile vor! Selbst Heinrich VIII sagte man nach, er sei mit seinem Schlitten auf der Themse vom Stadtzentrum bis nach Greenwich gefahren.
Wie kam es, dass die Themse zufror?
Während der sogenannten „Kleinen Eiszeit“ (14.-19. Jhd.) war es in England kühler als heute. Der Fluss war noch nicht begradigt, was die Fließgeschwindigkeit des Themsewassers deutlich reduzierte. Zudem bremste die Old London Bridge damals auf 19 Pfeilern ebenfalls den Wasserfluss, sodass die Themse leichter zufrieren konnte.
Winterkarneval auf dem Wasser
Wenn auch die harten Winter den Londonern oft Hunger und Tod brachten, so waren die alteingesessenen Londoner doch so unternehmungslustig und widerstandsfähig, dass sie Frostmärkte auf dem Eis abhielten. Zwischen 1607 und 1814 gab es tatsächlich 7 dieser großen Frostmärkte und zahllose kleinere. Diese „Frost Fairs“ waren ein Spektakel voll mit eilig errichteten Geschäften, Pubs, Schlittschuhlauf, eben allem, das man in den Londoner Straßen erwarten würde. Tatsächlich ein Karneval auf dem Wasser, nur mit Zylinderhüten und ohne Achterbahnen.
Die Londoner bauten ihre Marktstände auf dem Eis auf und boten von Speisen und Getränken über Spielzeug und Schmuck alles an. Es ging hier nicht nur um Geschäfte. Auch Schlittschuhlaufen, Schlittenfahren und Eisbowling machten den Fluss zum riesigen Winterspielplatz unter eisigem Himmel.
Entertainment und Skurriles
Tauchen wir ein in die frostige Zeitkapsel und decken wir einige bemerkenswerte Ereignisse und skurrile Zwischenfälle auf, die sich dort zugetragen haben.
1608 wurde der Frostmarkt in der Broschüre „A Winter Wonder, or The Thames Frozen Over“ erwähnt und die Aktivitäten, die dort stattfanden, detailliert beschrieben.
Der stärkste und längste Frost in der Geschichte von Dezember 1683 bis Februar 1684 führte auch zum längsten und berühmtesten Frostfest. Zahlreiche zeitgenössische Illustrationen und Stiche, wie zum Beispiel von Thomas Wyke, dokumentieren das eisige Treiben. Kutschen- und Pferderennen gab es hier, Puppenspiele, Bullenhetze, Hähnewerfen rundeten das närrische Treiben ab. Und ein Augenzeuge schrieb, er habe gesehen, wie man bei Whitehall einen ganzen Ochsen auf dem Eis geröstet habe.
Sogar einen Elefanten führte man in der Nähe der Blackfriars Bridge während des großen Frosts als Werbegag über die zugefrorene Themse.
Dessen nicht genug, hatte man ein Dutzend Druckerpressen auf dem Eis aufgebaut, und der Drucker Croom verkaufte reichlich Souvenirkarten, auf denen der Name des Käufers und das Datum stand und die Tatsache, dass sie auf der Themse gekauft waren.
Frostige Fidelspiele und eisige Fußballspiele
1715 musizierte sogar ein ganzes Orchester auf dem Eis. Ein Bericht aus der Londoner Gazette äußerte sich über den ungewöhnlichen Ort dieser kulturellen Veranstaltung. 1789 berichteten zeitgenössische Zeitungen von Fußballspielen auf der Themse die mit Begeisterung ausgetragen wurden, und betonten deren Teamgeist und sportlichen Charakter.
Tauwetter und das Ende einer Ära
Sosehr die Londoner die Frostmessen auch liebten, so waren sie auch der Gnade der Mutter Natur ausgeliefert. Mit Einsetzen des wärmeren Wetters begann das Eis zu brechen und das eisige Vergnügen hatte ein Ende. Manchmal kam das Tauwetter schneller als erwartet, und so manch einer verlor sein Leben oder seine Habe. Im Januar 1789 zerrte das schmelzende Eis an einem Schiff, das an einem Pub am Flussufer verankert war, und riss das Gebäude mit sich, wobei fünf Menschen erdrückt wurden.
Die letzte aufgezeichnete Frostmesse fand 1814 statt und die Broschüre „Frostiana“ des Druckers Davis zeugte mit Berichten und Illustrationen davon. Es wurde übrigens in einem auf dem Themseeis aufgebauten Stand gänzlich gesetzt und gedruckt.
In den Folgejahren wurde das Klima milder, die London Bridge wurde 1831 neu erbaut, so dass die Themse schneller fließen konnte. Sie bekam nach und nach ein engeres Flussbett, sodass das Wasser schneller floss und die Themse ab dann auch nicht mehr zufrieren konnte.
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