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Sind Briten besessen vom Wetter?

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22% der Briten sprechen ganze 2 ½ Tage im Jahr übers Wetter.

Wenn du denkst, bei uns wird viel über das wechselhafte Aprilwetter gesprochen, dann kann ich dir sagen, dass mehr als neun von zehn Briten in den letzten sechs Stunden über das Wetter gesprochen haben. Ja, es ist eine Nation von Entschuldigern, Schlangestehern und Teetrinkern. Sind die Briten auch besessen vom Wetter?

Führt man sich zu Zahlen zu Gemüte, gibt es daran keinen Zweifel:

22% der Briten verbringen übers Jahr volle 2 ½ Tage damit über das Wetter zu sprechen. 9% von denen sprechen sogar 30 Minuten jeden Tag übers Wetter. 75% sprechen bis zu fünf Mal am Tag darüber. 12 % senden täglich einen Tweet übers Wetter. Jeder fünfte beklagt sich bei Freunden und Kollegen jeden Tag. Und ein letztes: 11% der britischen Männer verbringen mehr als 30 Minuten am Tag damit, übers Wetter zu reden, doch nur 7 % der Frauen tun dies.

So stimmt es also, wenn Matthew Crawley in Downton Abbey feststellt: „You know, we English love a good chat about the weather.” (Wissen Sie, wir Engländer lieben ein gutes Schwätzchen über das Wetter.)

Klar ist damit, dass die Briten den Wettersmalltalk zu einem nationalen Zeitvertreib gemacht haben. Ist dies nur eine Marotte oder warum sind Wetterdiskussionen so tief verwurzelt in Alltagsunterhaltungen?

Wir sprechen gleich über codierte Unterhaltungen, soziale Hemmungen, Eisbrecher und Zwischenmenschlichem. Aber zuerst möchte ich darauf eingehen, dass die geografische Lage des Königreichs tatsächlich reichlich Stoff hierfür liefert.

Den Stürmen ausgesetzt

Die geografische Lage Großbritanniens beschert ihm zwar ein mildes, aber auch völlig unberechenbares Klima. Wer sich einige Zeit in England aufgehalten und am Vorabend einer Unternehmung dafür den BBC-Wetterbericht konsultiert hat, weiß, das am nächsten Tag das absolute Gegenteil eintreten kann. Mein B&B-Wirt sagte  mit am Vorabend meiner Wanderung basierend auf den BBC Wetternachrichten: „You’ll have sunshine and a great weather when you start your hiking tour tomorrow.”  Es konnte nicht schlimmer kommen, Dauerregen und Nebel. Am Rande des Atlantiks gelegen, befindet sich Großbritannien am Ende einer Sturmbahn. Wenn warme und kalte Luft aufeinander zu und übereinander hinwegfliegen, entstehen Wirbelstürme, an deren Schwanzende die britische Insel liegt. Der Golfstrom macht zwar das Klima wärmer als man von seiner nördlichen Lage erwarten sollte, er bringt aber auch viel Feuchtigkeit mit. Und das macht das Wetter noch unberechenbarer.

Violet Crawley, Countess of Grantham kommentiert es genauso: „One can always rely on the English weather to be entirely unpredictable.” (Auf das englische Wetter kann man sich immer verlassen, es ist völlig unberechenbar.)

Britisches Wetter ist unvorhersagbar

Die sich ständig verändernden Wetterverhältnisse nähren eine immerwährende Quelle für Diskussionen, vom unerwarteten Sonnenschein bis zu plötzlichen Regengüssen.

„The snow has arrived early this year, hasn’t it? It’s quite picturesque, but it does make traveling a nightmare.” (Der Schnee ist in diesem Jahr früh gekommen, nicht wahr? Es ist sehr malerisch, aber es macht das Reisen zu einem Albtraum.), bemerkt Mrs. Hughes ebenfalls in Downton Abbey.

Die Briten wissen also nie so genau, was sie erwartet. Sie sollten jedoch wissen, dass es in den letzten 51 Jahren gerade einmal 4 weiße Weihnachten gab, vermutlich einschließlich der weißen Weihnacht in Charles Dickens‘ „Christmas Carol“. Und doch füllen die Spekulationen über potentielle weiße Weihnacht jedes Jahr die Unterhaltungen im Dezember. Auch die Nostalgie kommt hier nicht zu kurz: „In den 60ern waren die Sommer immer heiß und sonnig.“

Sozialer Schmierstoff oder Eisbrecher

Fragt mich mein Nachbar am Warenband im Supermarkt: “Cold, isn’t it?“, dann erwartet er zwar keine ausführliche Antwort, eine Form von Zustimmung wie ein Grunzen genügt. Sagt es doch dem Nachbarn, dass du mit ihm d’accord gehst und ihm zugehört hast. Es ist so eine Art Code, den die Briten kultiviert haben, um soziale Hemmungen zu überwinden.

Kommentare übers Wetter werden eher in Form einer Frage gestellt. Stimmt die angesprochene Person zu, ist alles ok. Stimmt sie nicht zu, verstößt sie ganz sicher gegen die Gepflogenheiten. Würde dich jemand mit „Dreadful weather, isn’t it?“ ansprechen, und du würdest sagen „No, I don’t think so.“ wäre dies eine grobe Unhöflichkeit. Denn die Frage ist eigentlich als eine Einladung zum gemeinsamen Elend und zur Kameradschaft gemeint.

Viele Länder bevorzugen beim Smalltalk eher persönliche Inhalte als Einstieg. Die Briten wählen hier lieber ein sicheres und persönlich unaufdringliches Thema wie das Wetter. Das Wetter bietet den gemeinsamen Nenner, wenn sich Personen noch nicht kennen. Die Unterhaltung darüber ist sozusagen der Eisbrecher.

Höflichkeit und britische Etikette

Ein Schwatz über das Wetter kann beispielsweise eine Gesprächspause überbrücken. Driftet das Tischgespräch oder die Unterhaltung in eine peinliche Richtung, kann ein Umschwenken auf neutrales Terrain, nämlich das Wetter, der Tischgesellschaft unangenehme Momente ersparen. Meister darin sind die Bewohner des Hauses Downton Abbey, die bei drohenden unangenehmen Themen einen eleganten 180°-Schwenk schaffen mit einer Äußerung wie: “I do hope it won’t rain on the garden party. The weather has been unpredictable lately.“ (Ich hoffe, dass es bei der Gartenparty nicht regnen wird. Das Wetter ist in letzter Zeit sehr unberechenbar.) (Lady Grantham)

Humor und Sarkasmus

Kaum ein Thema, das sich bei den Briten nicht für den komödiantischen Effekt durch Übertreibungen eignet. „Dieser Regen ist biblisch, ich schwöre. Ich erwarte fast, dass jeden Moment die Arche Noah vorbeischwebt.“

Bestens gerüstet sind sie in Sachen Wetter auch, was Selbstironie angeht. „Ein bisschen Schnee und das ganze Land kommt zum Stillstand. Wir sind hoffnungslos, nicht wahr?“

Auch die Untertreibung hat ihren festen Platz beim Wetter: „Bit nippy out there, isn’t it?“ (Ein bisschen frisch da draußen, oder?), wenn es in Wirklichkeit eiskalt ist und seitwärts schneit.

Obgleich ich bei Letzterem nicht sicher bin, ob es sich wirklich um eine Untertreibung handelt, wenn ich die Männer um die Frostgrenze mit kurzen Hosen und die Frauen mit Tanktops und fast unsichtbaren Röcken im November in die Pubs schwärmen sehe. (siehe hierzu „Warum frieren Britinnen nicht, wenn sie im Minirock ausgehen?„)

Britischer Humor und Sarkasmus in Bezug auf das Wetter zeichnen sich im Wesentlichen durch eine Mischung aus trockenem Witz, Understatement, Selbstironie und einem gemeinsamen Gefühl der Unverwüstlichkeit angesichts unvorhersehbarer Bedingungen aus. Es ist ein kulturelles Phänomen, das so tief verwurzelt ist wie eine Tasse Tee an einem regnerischen Nachmittag.

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Hier kommst du zu meinem Artikel: „Warum frieren Britinnen nicht, wenn sie im Minirock ausgehen?

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