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The Shipping Forecast

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Seemann mit Möven und Meer

Wie sich eine rätselhafte Radiosendung der BBC der romantischen Neigung der Briten für ihren Inselstatus verschrieben hat.

Leuchtturm am Kai mit hoher Brandung und Felsen, The Shipping Forecast
Bild: Marcus Woodbridge – Unsplash

Was an einer poetischen und Mantra artigen Wettervorhersage romantisch und anziehend sein kann, hörst du, wenn du dich seinen launischen Vorhersagen voll düsterer Ahnungen hingibst.

Poetisch und Mantra artig

Die britischen Wettervorhersagen im Radio für die Schifffahrt, The Shipping Forecast, sind schlichtweg eine britische Institution. Vier Mal am Tag gesendet, teilen sie die Gewässer West Europas in 31 Seegebiete auf, von Dover bis Südost Island, von Norwegen bis Portugal und bis hin zur Deutschen Bucht. Genau diese Sendung kann für Seefahrer den Unterschied zwischen Leben und Tod ausmachen. Aber weitere Millionen Menschen – alles keine Seefahrer – lauschen täglich den sanften, gewogenen Kadenzen der Stimmen, welche die Wettervorhersagen tagein tagaus durch den Äther schicken. Poetisch und Mantra artig.

Gegensätze von Romantik und Bedrohung

Man sagt, der beste Ort, speziell den mitternächtlichen Shipping Forecasts zu lauschen, ist das behagliche Bett

Poetische und knappe Cluster von Worten, die Visionen von scheinbar abstrakten, weit abgelegenen Orten hervorrufen. Winterliche Schauer, gelegentlicher Regen, gut wird zu moderat, meist heiter. Eine besondere Behaglichkeit liegt darin, diesen fast gespenstischen Tönen zu lauschen. Speziell dann, wenn man sich klar macht, dass weit größere Mächte als wir an den britischen Küsten am Werk sind. Die Worte, die der Radiosprecher von sich gibt, sind solange schwer zu fassen, bis man merkt, dass sein Leben davon abhängt. Die Shipping Forecasts haben für die Zuhörer den Status einer Art Vorboten oder Omen für das, was sich da draußen an den Küsten abspielt, fast wie ein Talisman für Sicherheit und Schutz. Die Stimmen enthalten die ganze Gegensätzlichkeit von Romantik und Bedrohung. Man sagt, der beste Ort, speziell den mitternächtlichen Shipping Forecasts zu lauschen, ist das behagliche Bett, wenn der Wind an den Fenstern rüttelt und der Regen von draußen dagegen schlägt, wenn man sich diejenigen draußen auf See vorstellt, während man selbst warm, sicher und trocken eingepackt liegt. Vermutlich können gerade die Briten als Seefahrernation diesem Gefühl besonders intensiv nachhängen, besonders jetzt, wo sich scheinbar ein wieder erstarkter Sinn für die ‚Britishness‘ breitmacht.

Seemann in blauer Regenjacke mit Kapuze und Megaphon, Shipping Forecast
bild: Ivan Lapyrin – Unsplash

Kryptisch und hypnotisierend und doch prägnant und klar

Viermal am Tag meldet sich der Radiosprecher der BBC und verliest sein für Laien scheinbar nicht zu entschlüsselndes Skript (einfach mal unter dem Link reinhören…): „Und jetzt die Schiffswettermeldungen, herausgegeben…..Viking Utsire; southwesterly five to seven; occasionally gale eight; rain or showers; moderate or good, occasionally poor.“ Kryptisch und hypnotisierend, aber stets in unabänderlicher Reihenfolge: Als erstes kommt der Wind dran, dann seine Richtung und schließlich die Stärke, in der er bläst (north-westerley five or six). Dann die Wetterbedingungen (rain later) und schließlich die Sicht (good becoming moderate). Die Terminologie ist streng festgelegt und so prägnant  und klar wir möglich. Auch die Aufeinanderfolge der Seegebiete bewegt sich stets in gleiche Richtung. Beginnend mit der norwegischen Küste bewegen sich die Meldungen im Uhrzeigersinn im Zickzack durch die Nordsee, den Ärmelkanal entlang bis zur Iberischen Halbinsel, streifen den Rand des Atlantiks bis nach Südost Island.  

Seit 100 Jahren gleich geblieben

Diese tägliche Litanei und Mystik in ihrer Terminologie hat sich seit der ersten Sendung 1924 kaum geändert. Die einzige terminliche Abweichung bisher gab es von 5.30 Uhr auf 5.33 Uhr am Morgen und dem völligen Sendeverbot während des zweiten Weltkriegs. Keine Katastrophe hat diese Konstante bisher von ihrer Sendezeit vertrieben.

Altes Radio, BBC shipping forecast
Bild: Alessandro Cerino – Unsplash

„Wenn wir in See stechen, so gibt es nur wenige Gelegenheiten, das Handy zu benutzen, daher sind die Schiffsmeldungen die Hauptinformationsquelle.“ (Seemann David Marwick)

Fischkutter rot in hoher See im Hintergrund großer Frachter, shipping forecast
Bild: Ray Harrington – Unsplash

Und vom alten Seemann in seinem salzverkrusteten Fischerboot bis zum Industriellen in seiner Hochseeyacht sind alle gleichermaßen auf die Schiffsmeldungen angewiesen, Gassi Gänger, Ködersucher, Surfer, Kajakfahrer, Angler und Schlauchbootkapitäne, sie alle nutzen die Shipping Forecasts.

Als seinerzeit 1861 Admiral FitzRoy den täglichen Wetterbericht per Telegraph im Vereinigten Königreich verbreitete, hissten die Menschen für die hereinkommenden Schiffe Flaggen. Danach verbreitete man die Wettervorhersagen in Zeitungen, ehe sie im Radio ausgestrahlt wurden.

Die Shipping Forecasts haben Songs und Gedichte haben inspiriert

Eine Poetische Transformation der britischen Schiffswettervorhersagen ist Murray Lachland Young in seinem Gedicht ‚The People’s Shipping Forecast‘ gelungen. Hör hier gerne mal rein.

In der Eröffnungszeremonie für die Olympischen Spiele 2012 verarbeitete François-Xavier Roth in Edgar Elgar‘s Nimrod die Shipping Forecast in seinem wunderschönen Musikstück und erinnerte an Britanniens maritime Vergangenheit. Hör hier mal rein bei. Bei Minute 1:38 hörst du sie.

Hand auf Seekarte
Bild: Milada Vigerov – Unsplash

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