Großartige englische Frauen
In den Annalen der Geschichte ragen bestimmte Personen als Wegbereiter heraus, die den Lauf der Dinge prägen und der Gesellschaft einen unauslöschlichen Stempel aufdrücken. Emmeline Pankhurst, ein Name, der als Synonym für die britische Suffragettenbewegung steht, ist eine solche Koryphäe. Ihr unermüdlicher Einsatz für die Rechte der Frauen zu Beginn des 20. Jahrhunderts veränderte nicht nur die gesellschaftspolitische Landschaft, sondern legte auch den Grundstein für die Gleichberechtigung von Frauen auf der ganzen Welt.
Sie wollten wählen und wurden ausgelacht
Mit friedlichen Mitteln haben es britische Frauen achtzig Jahre lang nicht geschafft, etwas in der politischen Landschaft zu verändern. Sie wurden nicht wahr- und nicht ernstgenommen. Emmeline Pankhurst und ihre Suffragetten forderten nicht nur das Wahlrecht, sondern starteten einen revolutionären Aufruf zur Emanzipation der Frauen in allen Lebensbereichen. Emmeline Pankhurst war die Gallionsfigur des bewaffneten Kampfes, mit dem sich Teile der Frauenbewegung vor hundert Jahren radikalisierten.
„Taten, nicht Worte“
Genau das stand auf Emily Pankhursts Grabstein. Ihr Aufruf spiegelte die Frustration zahlloser Frauen wider, denen viel zu lange jede politische Stimme verweigert war. Da das englische Establishment hartnäckig die Anliegen der Frauen ignorierte, sah die Suffragetten Bewegung keinen anderen Ausweg, als sich zu radikalisieren.
Aber fangen wir doch vom Anfang an. Begonnen hatte alles in Form einer Bewegung engagierter, aber eher bürgerlicher Frauen Anfang des 19. Jahrhunderts. Aus dem Engagement einzelner Frauen wurde schon bald eine Bewegung, die ihr Recht mit immer mehr Nachdruck und Wut einforderte.
Emily Pankhurst kündigte am 13. November 1913 in ihrer berühmtesten Rede „Freiheit oder Tod“ in Hartford, Connecticut, USA an, dass es im Kampf der Suffragetten ab jetzt nicht nur um das Wahlrecht für Frauen gehe, sondern um einen „Bürgerkrieg von Frauen:
„Ich bin nicht als Fürsprecherin hier, denn welche Stellung die Wahlrechtsbewegung in den Vereinigten Staaten von Amerika auch immer einnehmen mag, in England hat sie den Bereich der Interessenvertretung überschritten und ist in die praktische Politik eingetreten. Sie ist zum Gegenstand von Revolution und Bürgerkrieg geworden. (…) Ich bin hier als Soldat, der vorübergehend das Schlachtfeld verlassen hat, um zu erklären (…) wie ein Bürgerkrieg aussieht, wenn er von Frauen geführt wird. (…) ich bin hier als eine Person, die nach dem Urteil der Gerichte meines Landes überhaupt keinen Wert für die Gemeinschaft hat.“
Emily Pankhurst 13. November 1913 in ihrer Rede in Hartford, Connecticut, USA
Wie kam es zu dem militanten Frauen-Widerstand?
Seit 1432 durften in England nur Männer mit Grundbesitz wählen, ein Recht, das fast 500 Jahre später auf alle Männer erweitert wurde. Frauen jedoch ignorierte man hierbei weiterhin. Als die Regierung schließlich 1864 ein Gesetz zum Schutz vor Geschlechtskrankheiten (Contagious Disease Act) verabschiedete, das sich ausschließlich gegen Frauen richtete, war für viele engagierte Frauen das Maß voll. Auch Florence Nightingale hielt die damit verbundenen Zwangsuntersuchungen für „widerwärtig und ineffektiv“. Es entwickelte sich eine beispiellose Protestbewegung, aber es dauerte weitere 21 Jahre, um dieses Gesetz zu kippen.
Von Männern belächelt
Von da an gehörten Suffragetten in die politische Landschaft, doch von den Männern wurden sie eher belächelt, wenn sie ihre lautstarken Forderungen hervorbrachten. Auch die Labour Partei knickte ein, wenn es den Frauen um Machtfragen ging.
Emmeline Pankhurst war eine zentrale Firgu in diesem Kampf. Aus einem politisch sehr engagierten Elternhaus kommend, gründete die verwitwete mehrfache Mutter 1898 in Manchester die WSPU (Women’s Social and Political Union). Pankhurst entwickelte Protestformern in der Suffragettenbewegung, die sie zur Symbolfigur der militanten Bewegung werden ließ.
Suffragetten radikalisieren sich
Nicht mehr nur mit friedlichen Plakaten sollte die Bewegung der WSPU vonstattengehen, denn diese war bisher ins Leere gelaufen. Es mussten wirksamere Aktionen her, um die Öffentlichkeit aufmerksam auf ihre Ziele zu machen. Ärgernis, Überraschungen, Provokationen und Schockierendes erregen, das waren ihre Mittel. So ketteten sich die Frauen an Zäunen und Gebäuden fest, organisierten Blockaden oder veranstalteten unangemeldete Demonstrationen. Ab 1912 brannten des Öfteren Briefkästen. Suffragetten unternahmen Angriffe auf Privathäuser und Museen, wo Kunstwerke zerstört wurden. Häuser von Politikern griffen sie mit Brandsätzen an. Auch im neugebauten Haus des Schatzkanzlers David Lloyd George ist ein Sprengsatz detoniert. Hatte man den Labour Abgeordneten doch als Verräter an der Suffrage, dem Wahlrecht, identifiziert. Sie überschritten Grenzen und gaben den wütenden Frauen Unterstützung. Auch Pankhursts Tochter war dabei.
„Black Friday“: Niederschlagung der Frauenproteste und sexuelle Gewalt
Für die Männer wurden die verlachten Suffragetten zur Bedrohung. Die Regierung versuchte alles, um die zunehmende Gewalt der Frauen einzudämmen und knüppelte am berühmten „Black Friday“ am 18. November 1910 die Frauendemonstration mit 300 Frauen mit Schlagstöcken nieder. Die Londoner Polizei, sowie die männlichen Schaulustigen schreckten hierbei nicht vor sexueller Gewalt zurück. 135 Gewaltakte an Frauen meldeten die Demonstrantinnen der Polizei, davon 29 mit sexuellen Übergriffen. Eine öffentliche Untersuchung lehnte Winston Churchill, damaliger Innenminister, ab. Alle Angeklagten wurden am Folgentag wieder auf freien Fuß gesetzt.
Pankhurst wurde bei ihren Aktionen mehrfach inhaftiert. Die Opfer, die diese Frauen sowohl körperlich als auch seelisch brachten, können nicht hoch genug eingeschätzt werden.
Frauen in der Waffenproduktion
Die militante Suffragettenbewegung fand ein abruptes Ende, als 1914 England dem Deutschen Reich den Krieg erklärte. In Folge mobilisierte Pankhurst die Frauen der WSPU für die Waffenproduktion, und so wurde der Konflikt ums Frauenwahlrecht vom Wahnsinn des Weltkriegs überdeckt.
In den meisten involvierten Ländern bewirkte dies eine Art Zäsur in der alten Ordnung. In England führte man 1918 daraufhin ein eingeschränktes Wahlrecht für Frauen ein, gebunden an Alter (über 30) und Besitz. Weiter konnte sich das männliche Establishment dann doch nicht von seinen Standes- und Geschlechterprivilegien lösen. Die echte Gleichstellung von Mann und Frau im Wahlrecht erlangte man dann in England erst 1928.
Leider hat Pankhurst die Ratifizierung des Gesetzes nicht mehr miterlebt, da sie zwei Wochen zuvor starb.
Pankhursts Mut, den Status Quo in Frage zu stellen
Emmeline Pankhursts Vermächtnis reicht weit über die Erlangung des Frauenwahlrechts hinaus. Ihre unerschütterliche Entschlossenheit ebnete den Weg für nachfolgende Wellen des Feminismus und inspirierte Generationen von Frauen, sich gegen Ungerechtigkeiten zu wehren. In der heutigen Welt, in der die Gleichstellung der Geschlechter immer noch ein ständiger Kampf ist, erinnert uns Pankhursts Vermächtnis daran, dass Veränderungen durch Leidenschaft, Beharrlichkeit und den Mut, den Status quo in Frage zu stellen, möglich sind.
Das Leben von Emmeline Pankhurst ist ein Zeugnis für die transformative Kraft des Aktivismus. Heute können wir aus unserer Position heraus die Fortschritte dieser bemerkenswerten Frau und der von ihr angeführten Suffragetten Bewegung würdigen. Während wir uns durch die Komplexität der modernen Welt bewegen, wirkt Pankhursts Geschichte wie ein Leuchtfeuer der Inspiration, das uns auffordert, den Kampf für Gleichberechtigung in all ihren Formen fortzusetzen. Denn nur wenn wir unsere Geschichte verstehen, können wir eine gerechtere und integrativere Zukunft gestalten.
Siehe hierzu auch meinen Artikel
Tearooms als Keimzelle für Frauenrechte