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Narrowboats vom Kohleschlepper zum Ferienhaus

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Boot im Wasser mit Bäumen

Die Geschichte der Narrowboats ist eng mit der Geschichte der englischen Kanäle verbunden. Vom 18. bis zum 20. Jahrhundert wurden sie als Arbeitsboote eingesetzt, die Güter transportierten. Seither haben sich Narrowboats zu komfortablen Freizeitunterkünften und echten Wohnhäusern entwickelt, wobei sie ihr ursprüngliches Design beibehielten. 22 m lang und 2,20 breit sind sie und haben wegen der geringen Tiefe der Kanäle flache Rumpfe.

5 Narrowboats angetäut
Bild: Polina Volkowa – Unsplash

Von Pferden gezogene Holzboote

Vom späten 18. bis zu Beginn des 20. Jahrhunderts bauten hunderte von Bootsbauern diese Art von Booten aus Holz, und ebenso viele betrieben die Boote auf Englands Kanalsystem, teils für die Kurzstrecke, teils für den Gütertransport auf weiteren Distanzen. Hauptsächlich wurden Kohle, Steine, Erden, Töpferwaren und Porzellan, wie z.B. das gute Wedgwood Porzellan, das auf diese Weise bruchsicher befördert werden konnte, transportiert. Aber auch Postboote waren im Einsatz, die zudem als Linienverkehr für die Personenbeförderung dienten.  Tausende Narrowboats befuhren die Kanäle, allen war gemeinsam, dass sie mit Seilen von Pferden gezogen wurden. Ein Pferd konnte bis zu 25 Tonnen ziehen. Die Pfade der Schiffszieher, ob Mensch oder Pferd, sind Treidelpfade (engl. tridle path) oder Leinpfade. Die Kanäle waren dabei gerade so breit, dass sich zwei Schiffe begegnen konnten. Im 18. Jahrhundert wurden innerhalb weniger Jahre hunderte von Kilometer an Kanälen gebaut, hauptsächlich zwischen den Industriestädten, den Rohstofflagern und den großen Häfen, bis die Kanalstrecke schließlich 7000 km erreichte. James Brindley, Erbauer von Wasserstraßen,  achtete bei seinen Kanälen darauf, dass sie den Konturen der Landschaft folgten, was heute die Fahrten auf den Kanälen besonders attraktiv macht, scheint es doch, als würden sie natürlichen sich schlängelnden Wasserläufen folgen.

Flussschifferfamilien

In früheren Zeiten heuerte die Schiffsgesellschaft üblicherweise einen Bootsmann an, um das Boot zu steuern und einen Jungen, der das Pferd führte, welches das Boot zog. Die Familien der Flussschiffer blieben an Land. Die Eisenbahn verschärfte im Laufe der Jahre die  Wettbewerbssituation für den Gütertransport infolgedessen konnte sich schon bald ein Binnenschiffer nicht mehr leisten, ein Haus an Land zu unterhalten. So zog die Familie irgendwann mit auf das Boot, um als unbezahlte Mannschaft auf dem Boot mitzuarbeiten. Auch unabhängige, selbständige Schiffer gab es auf den Kanälen, die ihr eigenes Boot besaßen, man nennt sie „Number Ones“.

Da im zweiten Weltkrieg viele Flussschiffer in den Krieg eingezogen wurden, ersetzte man sie während der Kriegsjahre durch ausgebildete weibliche Bootsführerinnen.

Narrowboat angetäut
Bild: Jessica Burnett – Unsplash

Butties (deutsch: Kumpel)

Oft wurden die Boote sozusagen als Gespann, d.h. ein Boot zog das andere, das „Butty“ von Pferden gezogen. Das verschaffte der häufig kinderreichen Schifferfamilie zwei Kabinen mehr und zudem die Möglichkeit, doppelte Menge an Ladung zu befördern.

Die Erfindung der Dampfmotoren

Ende des 19. Jahrhunderts begann man, die von Pferden gezogenen Schiffe mit Dampfmotoren aufzurüsten. Dies gab den Betreibern die Möglichkeit, lange Strecken zwischen London, Braunston, Birmingham, Leicester und Nottingham zu überwinden. Diese fuhren nach einem strengen Zeitplan 24 Stunden Nonstop. Auch nach dem Krieg blieb ein Doppelgespann aus motorisiertem Schleppboot und unmotorisiertem Butty der Standard.

Experimente mit Gas- und Dieselmotoren

Die Nachteile eines dampfbetriebenen Motors lagen auf der Hand, denn durch den Motor selbst, den Heizkessel und die dafür benötigte Kohle ging sehr viel Frachtraum verloren, und eine große Mannschaft war erforderlich, den Motor zu betreiben. Genau genommen benötigte das ziehende Schiff vier Männer und das gezogene Schiff (butty) weitere 3 Männer. Um Frachtraum und Personal einzusparen, experimentierte man mit gasbetriebenen Motoren, bis schließlich 1906 das erste Narrowboat mit einem Gasmotor bestückt wurde. Die Grand Union Canal Company Ltd. erweiterte 1934 ihre Flotte auf über 100 Schiffe, von denen noch heute einige die Kanäle befahren.

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Narrowboats am Regent Canal London Richtung Little Venice, über eine Tasse Tee hinweg aufgenommen.

Verstaatlichung und Verfall der Wasserwege

1948 wurden die englischen Wasserwege verstaatlicht und die British Transport Commission unterhielt eine Flotte von 368 Narrowboats. Während des 2. Weltkriegs litten die Kanäle an mangelnder Instandhaltung, daher sank der Verkehr auf den Kanälen auf ein bisher nie dagewesenes Tief. So beschloss die British Transport Commission 1963 die meisten ihrer Narrowboats außer Betrieb zu setzen. Zudem folgte ein sehr starker Winter, bei dem die Boote für Monate im Eis eingeschlossen waren, sodass der größte Anteil an Gütertransport auf die Straßen verlagert werden musste. Viele Boote lagen jetzt verlassen in Reservoiren.

Moderne Narrowboats

1935 und 1939 bot der erste Bootsverleih in England Narrowboats Urlaubern an, der Startschuss für einen Freizeitboom. Viele Freizeitboote waren umgebaute Arbeitsboote. Einige Bootsbauer wie Ken Keay und Harris Brothers aus Bumblehole spezialisierten sich auf den Umbau und bauten Narrowboats aus Stahl zum Vermieten und für privaten Gebrauch. Heute sieht man auf den Kanälen zum einen restaurierte historische Narrowboats, speziell angefertigte Boote zum Vermieten, Hotelboote, Campingboote und Boote im Privatbesitz.

Viele Narrowboats am Anlegesteg
Narrowboats am Anlegesteg, Bild: William Hook – Unsplash

Hier findest du einen sehr interessanten Bericht auf Youtube von einem Journalisten, der vor neun Monaten auf sein Boot als ständigen Wohnsitz gezogen ist. Hier geht’s zum Bericht.

Zwei junge Frauen und zwei Katzen bewohnen dieses Narrowboat. Sie berichten hier über ihre Fahrten während des Lockdowns.