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Britischer Humor – ein Exportschlager

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lachender Junge auf Bank mit Buch auf dem Schoß
Bild: Ben White - Unsplash
Lachen Humor Junge England
Bild: Ben White – Unsplash

Während Michael Moore den Deutschen „Fun factor: None!“ in Where to Invade Next nachsagt und andere Stereotype die Deutschen als „am wenigsten lustige Nationalität“ brandmarken, ist hingegen den Briten ihr Humor zum wahren Markenzeichen geworden. Zugegeben, das Urteil sieht nicht so positiv für uns Deutsche aus. Wir können, wenn wir ehrlich sind, auch besser über Witze lachen, als selbst welche zu machen. Gut, dass uns der Brexit auch in Zukunft den Exportschlager des britischen Humors lässt.

Warum können wir Deutsche angeblich nicht so gut Witze reißen?

Wir haben doch immerhin Loriot: Das Bild hängt schief. Diese sachlich trockene Feststellung ist wahrlich zum geflügelten Wort geworden und Beweis, dass es Deutsche gibt, die es draufhaben.

Ein anderer Strohhalm, an den wir vermeintlich humorloses Volk uns schamlos klammern können, ist die Meinung der Linguistik Professorin Nicola McLelland von der Universität Nottingham. Sie sieht Anhaltspunkte dafür, dass Witze machen und Humor aufnehmen sehr stark davon abhängen, wie eine Sprache konstruiert ist. So ist es weit schwieriger, in Deutsch Wortspiele zu machen, wenn die Grammatik weit weniger Zweideutigkeiten zulässt. Humor basiert häufig auf doppeldeutigen Interpretationen oder Zweideutigkeit des Satzbaus, um alternative Bedeutungen zu erzeugen, die ihrerseits eine Situation ins Komische verkehren. Rein linguistisch wären wir also aus dem Schneider.

Was also macht den britischen Humor zum Markenzeichen und speziell zum Entertainment Exportschlager?

Witze werden auf der Insel über nahezu alles gemacht, kaum etwas ist tabu. Häufig stellen sie das Absurde im täglichen Leben satirisch dar. Beliebte Themen, an denen sich britische Komiker gerne abarbeiten, sind das Klassensystem, wobei auch die Royals in keiner Weise geschont werden. Grenzenlose Respektlosigkeit gegenüber den Mitgliedern des Establishments und der Autoritäten lassen uns da eher zusammenzucken, Politiker müssen eine Riesenportion Häme aushalten können. Wer je die Serie Not the Nine O’Clock News gesehen hat, weiß wovon ich spreche. Sexuelle Tabus werden hemmungslos auf’s Korn genommen. Wortspiele, Anspielungen und intellektuelle Witze sind nur einige der Techniken, denen sich britische Komiker bedienen. Ihre Witze sind durchzogen von Sarkasmus, Selbst-Abwertung und trockenem Humor und dies alles bei kontroversen Themen nicht unbedingt subtil. Der trockene Humor, der oft nur indirekt zu erkennen ist, repräsentiert einen wichtigen Teil der britischen Kultur, der sich bestens international vermarkten lässt.

Kein Thema ist dem britischen Humor heilig.

Durch Humor im Sinne von Anspielungen belustigten auch schon die Bühnenstücke von Shakespeare und Chaucer sowie britische Volkslieder ihr Publikum. Der berühmte britische Hang zum Exzentrischen trägt sein Schärflein dazu bei. Kaum einer kann sich selbst so witzelnd auf die Schippe nehmen wie die Briten in ihren Parodien. Monty Pythons Das Leben des Brian dürfte hier nur einer der Klassiker sein, der auch in Deutschland immer wieder gerne zur Osterzeit geschaut wird, und keine Hemmungen kennt, die Bibel tüchtig ins Lächerliche zu ziehen. Die humorvolle Auseinandersetzung mit klassischen Stereotypen sind bestens getroffen in der Serie Goodness Gracious Me, in der sich aus Indien stammende Briten schonungslos selbst verspotten. Auch Schikane und knallharter Sarkasmus finden sich im britischen Humor. Basil Fawlty, gespielt von Tom Cleese, geht mit seinem spanischen Kellner in der Sitcom Fawlty Towers alles andere als zimperlich um. Er streut auch gerne die ein oder andere Stereotype ein, wenn er beispielsweise einen deutschen Gast erwartet: „Listen! Don’t mention the war!“. Mr. Bean mit Rowan Atkinson als Verkörperung des Peinlichen oder sozial Unpassenden verursacht bei uns Deutschen eine gewisse Fremdscham. Wir haben also sogar ein Wort für dieses Gefühl kreiert.

Die verarmte Arbeiterklasse, gespielt von einem liebenswerten Schlingel, oder Mitglieder der ‚Upper Class‘, häufig aufgeblasen und schwer von Begriff, sowie marktschreierische Emporkömmlinge umreißen das humoröse Spannungsfeld zwischen den Klassen. Besonders schwarz ist der Humor in der Satire Four Lions. Geradezu makaber und morbid empfinden wir hier den verharmlosenden Umgang mit dem Thema jihadistischer Terroristen in Großbritannien. Auch das Surreale oder Absurde darf in der humoristischen Palette nicht fehlen. Bestes Beispiel ist hierfür Monty Pythons The Ministry of Silly Walks.

’Gobbledygook‘, was soviel wie Fachchinesisch bedeutet, würden die Briten wohl Evelyn Hamanns berühmtem Sketch Fernsehansage zum englischen Fernsehkrimi (Loriot) nennen, wobei der Bogen zu Großbritannien wieder gespannt wäre.  Die Methode des Understatements – auch darin sind die Briten Meister ihres Fachs – darf in dem methodischen Repertoire nicht fehlen. (siehe auch den Artikel Understatement in diesem Blog.

Paco Erhardt, ein deutscher Comedien, der es wagt, im Ursprungsland des Humors aufzutreten, erklärt den Briten auf der Bühne, weshalb die Deutschen als Nation eigentlich ganz erfolgreich sind: “Vier Mal die Fußballweltmeisterschaft und acht, neun mal Formel 1 gewonnen. Und bei zwei Weltkriegen immerhin Zweiter geworden.“ Da die Grenzen des Geschmacklosen oft fließend sind, würde spätestens hier einigen von uns das Lachen im Halse stecken bleiben. Nicht so den Engländern, die dabei lauthals und ungehemmt herauslachen. Ihnen sind diese derben, teils makaberen Jokes in Fleisch und Blut übergegangen. Selbst während des zweiten Weltkriegs machten die Briten ihre Ministerialangestellten in der Radiosendung The Men from the Ministry lächerlich. Die Satire war in diesem Fall nicht gegen den Feind, sondern nach innen gerichtet. Das dürfte bei den Hörern für einige Minuten die täglichen Beklemmungen des Krieges gelöst haben.

Was bringt uns diese Art von Humor?

Mit Humor bauen wir Spannungen oder Ängste ab, gehen beschwingter mit Stress um, bauen positive Beziehungen auf und Barrieren ab, entschärfen brenzlige Situationen und hellen schlimmste Momente auf. Ein paar deftige Witze und kräftige Lacher im Büro, und die Arbeit flutscht wie von selbst. Eine Art Medizin also? Wenn ihr mich fragt, unbedingt! Wie heißt es doch im wesentlichen Bestandteil britischer Kulturgeschichte, in Monty Pythons Chor der Gekreuzigten. „Always look at the bright side of life.“

Ich empfehle auch das Taschenbuch von Christian Schulte-Loh; Zum Lachen auf die Insel. Er schildert darin seine Erfahrungen als deutscher Komiker in England, wo es galt, sich neben dem britischen Humor durchzusetzen. Ein wirklich witziges Buch, das die britischen Eigenheiten scharfsinnig auf’s Korn nimmt.