Start Stories Die Nebel Dartmoors – auch uns hielten sie gefangen.

Die Nebel Dartmoors – auch uns hielten sie gefangen.

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Nebel in Dartmoor

Das vermutlich am meisten gefürchtete Phänomen Dartmoors ist der Nebel, der sich ohne Vorwarnung als blickdichte Decke über das Moor legt, und Unvorsichtige in einen scheinbar endlos tiefen Sumpf führt. Was als harmlose, vielversprechende Wanderung beginnt, kann in einem Orientierungsalbtraum enden.

Genau den haben wir durchlebt.

Baum im Nebel auf der Wiese

Als uns jener kristallklare, wonnige Herbsttag zu einer Wanderung in das Moor einlud, galt für uns, keine Zeit zu verlieren. Diese Tage sind im Dartmoor gezählt und müssen von uns als Wanderer genutzt werden. Der Aufstieg zum ersten Tor versprach prächtige Ausblicke über die weite Moorlandschaft. An diesem Tag trafen wir tatsächlich einmal einen anderen Wanderer an, einen Geologen, der seine Forschungen hier oben betrieb und mit dem Moor auf Du und du war. Ein kleiner Chat mit ihm, gerade so lange, bis der Müsliriegel vertilgt war.

Und schon war es geschehen.

In Minutenschnelle hatte sich der dicke Nebelmantel über alles gelegt, was wir beim Aufstieg hinter uns gelassen hatten. Wir starrten verblüfft in die milchige Masse hinter uns, während uns dämmerte, dass wir nie wieder blind durch den Nebel stolpernd unsere Richtung zurück zum Ausgangspunkt finden würden, denn Wege sucht man im Moor vergeblich. Selbst die Sonne als Orientierungshilfe war nicht einmal zu erahnen, so dass wir uns an keinem Anhaltspunkt für die Himmelrichtung festhalten konnten. Da half nur eine Detailkarte plus Kompass oder heute ein GPS.

Während wir im Rucksack nach unseren mitgebrachten Orientierungshilfen kramten, blickte uns der Dartmoor erfahrene Geologe besorgt an und riet uns, uns am Fluss entlangzuhangeln, denn der fließe immer nach unten, wo wir dann nach einigen Kilometern irgendwann an einer Straße landen würden. Eine sichere Sache sei das, denn kleine Bäche, Mühlkanäle oder Flüsse führten den Verirrten irgendwann einmal aus dem Moor heraus. Wo unser Auto geparkt sei, fragte er besorgt. Er würde danach Ausschau halten, wenn er zurückkäme, und wenn es bis spätnachmittag noch dastünde, würde er einen Rettungstrupp für uns losschicken.

Dieses „Versprechen“ beruhigte und beunruhigte uns gleichermaßen.

Steinkreuz im Nebel
Tevion DC-14

Nicht umsonst gibt es eine Myriade an Legenden und Gruselgeschichten, die um all diejenigen ranken, die der Dartmoornebel erwischt hat. Die „Piskies“, so erzählte man sich unter den Moorbewohnern, hätten die Fähigkeit, dicksten Nebel herbeizuzaubern, um den unvorsichtigen Reisenden zu verwirren, damit der Unglückliche so lange ziellos durch das Moor irrt, bis der Zauber abklingt.

Auch wir waren „fogbound“, im Nebel gefangen.

Wir waren solch ziellos Irrende, als wir, wie uns geraten wurde, unseren Rückweg am Fluss entlang antraten. Das Wasserrauschen des Flusses immer im Ohr, denn sehen konnten wir das fließende Wasser durch den Nebel selten, wenngleich es nur wenige Meter neben uns strömte. Immer die Ohren aufstellen nach Wasserläufen, hatte man uns geraten. Alles, was sich am matschigen, rutschigen Flussufer entlangrankte und uns mannshoch die Richtung versperrte, schien Dornen zu haben. Im Gesicht und an Händen zerkratzt, kämpften wir uns durch jedes Dornengestrüpp weiter flussabwärts. Unsere Füße wurden schwer, mussten sie doch bei jedem Schritt den Wanderstiefel mit schmatzendem Geräusch aus dem Uferschlick ziehen. Uns beunruhigte, dass wir keinerlei Vorstellung hatten, wie lange diese Tortur wohl dauern würde. Hinzu kam, dass Dinge im Nebel gigantische Proportionen annehmen können. Ein Elefant, der sich einen in der Milchsuppe in den Weg stellt, entpuppt sich als süßes Dartmoor Pony oder Schaf. Die Briten sprechen hier eher von „pea soup“, Erbsensuppe. Einen „pea-souper“ nennt man hier einen richtig dicken, gelblichen Nebel.

Schafe im Nebel auf der Wiese
Im Nebel kann sich ein vermeintlicher Elefant als Schaf entpuppen.

Schließlich war es eher das stetig zunehmende Blöken eines Leitstiers, das sich bedrohlich anhörte. Auch das Jaulen des Der Hund von Baskerville, war noch nicht ganz vergessen und tat in unseren Köpfen sein Übriges.

Den Atem verschlug es uns jedoch erst richtig, als wir die verschwommenen Silhouetten zahlreicher herbeieilender gehörnter Artgenossen erkennen konnten, deren gefühlt meterlange Hörner nicht gerade freundlich anmuteten und deren Anzahl selbst durch den Nebel zu einer stattlichen, dampfenden Herde anschwoll. Unsere Hoffnung, dass diese Herde irgendwo durch einen Zaun gebändigt wäre, zerschlug sich bald. Der Fluss bildete ihre natürliche Eindämmung, und wir mussten unseren Weg nicht nur durch Dornengestrüpp bahnen, sondern genau durch diese Stierherde hindurch.

Diese muskelstarken Gehörnten hatten nichts Gutes mit uns im Sinne. So viel verriet uns das Alarmblöken ihres Anführers, das seine Mitstreiter aus allen entfernten Moorgegenden heranlockte. Es half nichts, wir mussten, um ihnen zu entgehen, den Fluss überqueren, irgendwie, um uns auf der anderen Flussseite in Sicherheit zu bringen. Zumindest vor den Stieren. Der Nebel war eine andere Herausforderung. Es galt eine Furt zu finden, wo der Nebel nicht das ganze gegenüberliegende Flussufer verschluckte, und wir uns ausrechnen konnten, ob und wie wir es ans rettende Gestade schaffen würden. Wir entledigten uns unserer Wanderstiefel, krempelten die Hosen hoch, kraxelten über einige Felsbrocken im Fluss und wateten durch das eiskalte Wasser, bis der Schlick des vermeintlich gefahrlosen Ufers unsere eisigen Füße umfing.

Stier im Moor
Bild: Dylan Leagh – Unsplash

Geschafft! Noch nicht ganz.

Durch den dicken Nebel beobachten wir jetzt erleichtert vom anderen Ufer her die verschwommenen Umrisse der schnaubenden Stierherde und machten uns auf in Richtung stromabwärts. Eigentlich sollte dies in einem Moor keine Überraschung sein, aber plötzlich standen wir bis zu den Waden im Sumpfwasser, balancierten dann von Grasbüschel zu Grasbüschel, um über Wasser zu bleiben. Eine langsame und sehr ermüdende Wanderung, die eher einem Stelzengehen glich Ein Fehltritt, und man stand bis zur Hüfte im Nass. Soweit das Auge reichte, nur Sumpf. Aber so weit reichte das Auge ja gar nicht. Gerade einmal 2-3 Meter. Der Sumpf schien endlos und verschlang Schritt um Schritt unsere Kräfte, als sich im Nebel eines dieser Monstren vor uns auftat. Sicher kein Schaf dieses Mal, nein, eine aufgebracht dreiblickende Kuh stellte sich uns in den Weg. Wie um dieses unbewegt lauernde Riesentier herumkommen, ohne im Sumpf zu versinken? Wann wird sie angreifen? Mit Bedacht, ohne ruckartige Bewegungen, immer den Feind und die Grasbüschel für den Tritt im Auge. So arbeiteten wie uns langsam und behäbig um das Tier herum aus dem Sumpf und Moor heraus, bis die Ruine einer Kupfermühle wie eine Fata Morgana vor uns den Nebel durchbrach und sich in dem Moment wie ein Eldorado anfühlte. Von hier musste es Wege geben, die aus dem Moor herausführten.

Mein Rat: Lausche auf Wassergeräusche

Mein Rat, wenn der plötzliche Nebel dir im Moor die Orientierung nimmt: Eine Thermoskanne Kaffee im Rucksack haben, sich in Ruhe hinsetzen, nicht in Panik geraten und ganz genau auf Wassergeräusche der tausend kleinen Bäche und Flussläufe lauschen, deren Plätschern weithin getragen wird. Sie führen dich irgendwann aus dem Moor. Nicht ohne Schwierigkeiten wie man sieht und auch nicht immer an deinen Ausgangspunkt. Aber erst mal auf den nächsten Weg in die Zivilisation.

Bäume und Zaun im Nebel

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