Start Reisen Roadtrip durch Großbritannien – Episode 1 + 2

Roadtrip durch Großbritannien – Episode 1 + 2

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Roadtrip durch Großbritannien, junger Mann, lange. blonde Haare, Bart
Till Schulze auf deinem Roadtrip 1977 durch Großbritannien

Episode 1: Mit Tempo 200 über den Motorway

In dieser Episodenfolge, die als ein Teil meiner Serie „Freundnachbarlich- Erfahrungen von Deutschen mit Briten und umgekehrt“ erscheint, beschreibt Till Schulze immer neue Episoden von seiner Zeit, als er 1977 durch England getrampt ist und zeichnet durch seine vielfältigen Kontakte ein variantenreiches Bild von den Briten.

Autor: Till Schulze, Neu-Isenburg

Mich hatte mal wieder jemand an einem Roundabout herausgelassen in der besten Absicht und der Meinung, hier sei der beste Platz, um weiterzutrampen. Da stand ich nun.

Plötzlich ein röhrendes Geräusch hinter mir. Was war das? Ah, ein Sportwagen. Ein englischer Sportwagen. Ein Lotus Elan + 2. Tiefergelegt. Der Fahrer hielt an, schob seine Sonnenbrille nach oben und grinste mich an. Dieser Richard Branson Verschnitt wollte mich doch tatsächlich in seiner Flunder mitnehmen. O.K. wir einigten uns. Nur…wohin mit meinem Rucksack? Ich sah hier rein gar keine Möglichkeit, etwas unterzubringen, ein Handtuch vielleicht. Der Kofferraum so groß wie eine Zigarrenkiste. Blieb nur plus two (+ 2), damit waren die Notsitze im Fond gemeint. Mit vereinten Kräften quetschten wir mein Gepäck hinein.

Roadtrip durch Großbritannien, Nachtfahrt, Hände am Steuer und Tacho mit 200 km
Bild: Randy Tarampi – Unsplash

Kaum in den vorderen Schalensitzen versunken, ein wenig am Gas gespielt und schon ging’s los. Und wie! Mister Branson drückte das Gaspedal voll durch, und wir erreichten schnell so eine Art Schallgeschwindigkeit. Ich sah den Motorway nur so auf mich zufliegen, mit meinem Hintern nur wenige Zentimeter über dem Asphalt. Er grinste mich von der Seite an und bemerkte meine Schweißperlen. „You like it?“

Episode 2: Ein Mädchen aus Frankfurt, triefende Klamotten und wohlwollende Blicke.

Die Jugendherberge in der Nähe von Inverness war schäbig. So grummelten einige Tramper unzufrieden vor sich hin. Ich kam mit einem Mädchen aus Frankfurt darüber ins Gespräch, wir fanden uns sympathisch und beschlossen, gemeinsam vorzeitig auszuchecken und weiter zu trampen. So kam es immer mal wieder vor, dass ich temporäre Etappenbegleiter*innen hatte.

Wenigstens ein Dach über dem Kopf

Dafür, dass wir uns kaum kannten, meisterten wir die kommenden Schwierigkeiten bestens. Bei Einbruch der Dunkelheit, wir waren inzwischen irgendwo nördlich von Inverness abgesetzt worden, ging es darum, eine Bleibe für die Nacht zu finden. Nur wo? Hier war der Hund begraben, über uns zogen sich die Wolken zusammen, und es kam zunehmend eine starke Brise auf. Von Ferne glitzerte eine Wasserfläche, und es war ein gezacktes Türmchen zu sehen. Eine verfallene Castle Ruine offensichtlich. Vielleicht ja etwas zum Unterschlüpfen für die Nacht? O.K., da gab es bei näherem Betrachten diesen offenen zugigen Raum. Hier hatten sich offensichtlich auch schon andere „Durchreisende“ die Nacht um die Ohren geschlagen. Wenigstens ein Dach über dem Kopf.

Roadtrip durch Großbritannien, Mann im Regen in Landschaft mit Regenschirm
Bild: Nick Scheerbart – Unsplash

Nun fing es wirklich an zu regnen, und wir waren froh, im Trockenen zu sitzen. Nach etlichen Versuchen bekam ich dann den Campinggas Kocher zum Laufen und brutzelte uns in meiner kleinen Pfanne ein paar Eier mit Tomaten, die wir dann mit reichlich lätschigem Weißbrot gierig verdrückten. Gut, dass es zu der Zeit schon kompatible Schlafsäcke gab, die man durch einen Reisverschluss in Doppelschlafsäcke verwandeln konnte. Ohne hier Details auszuplaudern, meisterten wir auch diese Situation zufriedenstellend und wärmebildend.

Am nächsten Morgen: Regen, Regen, Regen.

Roadtrip durch Großbritannien, Mann im Regen mit Regenschirm
Bild: Matteo Catanese – Unsplash

Wir beschlossen, nach einer rudimentären Katzenwäsche weiterzuziehen. Kein Auto weit und breit, geschweige denn eines, das anhielt. So liefen wir immer weiter durch den Regen, in der Hoffnung, bald ein warmes Plätzchen zu finden. Wir fanden es auch. Wir standen vor einem alten Hotelkasten, der schon bessere Tage gesehen hatte. Ein riesiger Wintergarten neben dem Eingangsbereich, in dem sich einige Gäste aufhielten, um ihren Afternoon Tea zu sich zu nehmen. Genau das Richtige für uns, ein heißes Getränk und kuschelige Wärme. Trotz unseres abgerissenen Aussehens und unserer muffigen Aura, wurden wir freundlich hereingebeten, unter mitleidvollen Blicken an ein Tischchen platziert und unter „Just a moment, please“ mit Höflichkeiten auf den zu erwartenden heißen Tee vertröstet. Wir setzten uns, und das dabei entstandene Geräusch klang schwammig quietschend. Ein Fall von durchnässt.

Roadtrip durch Großbritannien. Afternoon Tea, Etagere mit Scones und Gebäck
Bild: Jelleke Vanooteghem – Unsplash

Während eine große Kanne Tee und eine Etagère mit Knabbergebäck gereicht wurden, die anderen Gäste uns wohlwollende und aufmunternde Blicke schenkten, bahnte sich das durch den Regen von unseren Klamotten aufgenommene Wasser den Weg Richtung Fußboden und bildete um jeden unserer Stühle einen immer größer werdenden dunklen Kreis…Die Blicke blieben wohlwollend.  

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